Grund 1: Das menschliche Bedürfnis nach Status und Prestige
Das Streben nach Status und Prestige ist eine tief in der menschlichen Natur verankerte Triebkraft. Der Nutzen von Dingen liegt demnach nicht nur in ihrer funktionalen Fähigkeit, Grundbedürfnisse zu befriedigen, sondern auch in ihrer sozialen und psychologischen Funktion als Statussymbol.1 Dieses Phänomen ist keineswegs neu; schon im Feudalismus waren Schlösser und prächtige Kleidung zentrale Prestigeobjekte des Adels. Der Aufwand für die Herstellung solcher Güter war in der Regel enorm, und auch heute noch werden Statussymbole mit hohem Ressourcenverbrauch und erheblichen externen Kosten hergestellt, was die Diskrepanz zwischen individuellem Nutzen und ökologischem Schaden verschärft.1
Die menschliche Zufriedenheit wird zudem nicht nach einem absoluten, sondern nach einem relativen Maßstab bemessen. Karl Marx hat diesen Zusammenhang bereits im 19. Jahrhundert beschrieben: Ein kleines Haus kann zufriedenstellen, solange die Nachbarhäuser ebenfalls klein sind. Steht jedoch ein Palast daneben, schrumpft das eigene Haus zur Hütte zusammen. Dieses Prinzip verdeutlicht, dass das eigene Glücksgefühl und der eigene Status davon abhängen, was Nachbarn und Kollegen besitzen. Da jeder versucht, den Standard zu übertreffen oder zumindest zu halten, entsteht ein gegenseitiges Aufschaukeln, ein endloser Wettbewerb. Dieses ständige Streben nach einem höheren Status und die damit verbundene Unersättlichkeit des Menschen führt dazu, dass der Bedarf an Statussymbolen prinzipiell unbegrenzt ist. Wenn sich der soziale Nutzen einer neuen Anschaffung verflüchtigt, weil andere sie ebenfalls kaufen, muss man sich erneut auf die Suche nach einem neuen Prestigeobjekt begeben. So wurde das Motorrad, das in den 1950er- und 1960er-Jahren noch Neid und Bewunderung erregen konnte, heute durch den 2,5 Tonnen schweren SUV ersetzt, der eine ähnliche Funktion erfüllt.
Und die Eskalation geht weiter. Heute fahren Kreuzfahrtschiffe bis in die Arktis und die Antarktis. Superreiche buchen jetzt die ersten Ausflüge in den Weltraum. Dieser Wettbewerb um sozialen Status mit Hilfe von Dingen verbraucht große Mengen an Ressourcen und belastet das Ökosystem enorm.
Grund 2: Der Kapitalismus treibt den Konsum ins Absurde
Der Kapitalismus nutzt die menschliche Neigung zur Unersättlichkeit und zum Prestigedenken als fundamentales Geschäftsmodell. Profitorientierte Unternehmen investieren immense Summen, um durch Marketing und Werbung ständig neue Bedürfnisse und Begehrlichkeiten zu kreieren. Der Werbemarkt in Deutschland ist 2024 um 2,0 Prozent auf 49,77 Mrd. Euro[1] gewachsen. Die schiere Größenordnung macht deutlich, dass die Werbung ein zentrales Instrument ist, um Konsum zu stimulieren und den Kreislauf des Überflusses am Laufen zu halten.
Die menschlichen Bedürfnisse werden dabei nicht nur befriedigt, sondern aktiv geformt. Werbemaßnahmen richten sich zunächst an kaufkräftige Schichten, aber das Image der beworbenen Produkte strahlt auf die gesamte Gesellschaft aus, wodurch deren Attraktivität als Statussymbol gesteigert wird. Diese Dynamik schafft einen Teufelskreis: Das Streben nach Prestige treibt den Konsum an, und der Kapitalismus nährt sich von diesem Streben, indem er immer neue Prestigeobjekte und -erlebnisse erschafft, die den Wettbewerb weiter anheizen.
[1] https://zaw.de/branchendaten/werbemarkt-nach-medien/